Ein Herz für die Knolle

Auf dem Kartoffelhof Hadenfeldt geht eine Familie mit viel Leidenschaft ans Werk. Und das bereits seit Generationen

Was für eine Idylle. Felder, Weiden, dazu der weite Blick, die Stör und die Hörner Au fließen direkt durch den Ort. Wittenbergen liegt so ziemlich in der Mitte Schleswig-Holsteins. Es gibt hier genau 165 Einwohner. Und noch viel mehr Kartoffeln. Wie viele es genau sind, kann Matthias Hadenfeldt gar nicht sagen. Wie auch?

Auf seinem Hof baut er auf 40 Hektar Kartoffeln an, das sind dann nach jeder Ernte am Ende rund 2000 Tonnen, fein sortiert, verpackt in Netze. Bereit, irgendwann nach 20 Minuten Kochzeit auf dem Tisch einer schleswig-holsteinischen Familie zu stehen. Der Kartoffelhof Hadenfeldt liefert ausschließlich in die Region. Keine Großabnehmer, nur an Einzelhändler, Märkte, Endverbraucher. Direktvermarktung das ganze Jahr. Das gehört zur Philosophie des Betriebs, und wahrscheinlich ist es genau das, was den Erfolg ausmacht. Und die Qualität der Wittenbergener Kartoffeln.

Von den Anden nach Wittenbergen

Über die Knollen an sich muss man wissen: Sie waren das erste Lebensmittel überhaupt, das der Mensch kultiviert hat. Vor weit über 10.000 Jahren bauten die Inkas bereits Kartoffeln im Hochland der Anden an, im 16. Jahrhundert dann brachten sie spanische Eroberer mit nach Europa, wo sie schließlich auch Deutschland erreichten. Das Problem aber war: Die Menschen standen der Kartoffel dort extrem skeptisch gegenüber. Was genau sollte man mit diesen Gewächsen anfangen? Und überhaupt: Die Kartoffel kam ja noch nicht einmal in der Bibel vor. Preußenkönig Friedrich der Große war es dann, der den Kartoffel-Anbau weiter voranbrachte und – auch bedingt durch Krieg und Hunger – zu einem unentbehrlichen Grundnahrungsmittel forcierte. Auch deshalb, weil die Kartoffel auf der gleichen Ackerbaufläche bis zu viermal so viel Kalorien liefert wie Getreide.

„Selbstverständlich probieren wir jede einzelne Sorte mit der ganzen Familie, bevor wie sie bei uns anbauen.“
Matthias Hadenfeldt

Die einst verschmähte Knolle wurde so für den Aufstieg Europas ebenso wichtig wie die Kohle. Heute stehen die Deutschen der Kartoffel weniger skeptisch gegen über: Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt jährlich bei mehr als 50 Kilo. Mit der Kartoffel begann letztlich auch der Aufstieg des Hofs Hadenfeldt. Der Familienbetrieb besteht – Kartoffel-Geschichten sind lang – mittlerweile in der fünften Generation. 1897 übernahm der Ur-Ur-Großvater den Hof in Wittenbergen. Damals lebten hier ein paar Schweine, Hühner und Rinder, man kam zurecht. Dann, als Hans-Detlef Hadenfeldt 1980 in den Betrieb einstieg, wurde einige Jahre später schließlich auch die erste Knolle angebaut.

Die ersten Ernten lieferte er noch selbst mit dem Autoanhänger aus – zu Edeka nach Uetersen. Dann aber, mit den Jahren, standen immer mehr größere Fahrzeuge auf dem Hof, dazu kamen Hallen, Erntemaschinen, Förderbänder, Verpackungsanlagen, das ganze Kartoffelprogramm. Heute wirkt der Betrieb in Wittenbergen aufgeräumt, alles hier hat seinen Platz. Das ist den Hadenfeldts wichtig, denn schließlich sind sie es, die sich hier jeden Tag um die Kartoffeln kümmern. Matthias Hadenfeldt bewirtschaftet den Hof gemeinsam mit nur einem Mitarbeiter, aber auch der Vater kommt immer mal wieder mit aufs Feld. Sie pflanzen, sie ernten, sortieren, verpacken und liefern zu den Händlern. Und sie achten auf eine feine Abstimmung zwischen dem in der Region üblichen leichten Boden, der Bewässerung und einer sanfte Düngung. „Wir bauen unsere Kartoffeln nahezu wie ein Bio-Betrieb an“, sagt Matthias Hadenfeldt. Gemessen an den Möglichkeiten ist die Anbaufläche zudem klein. Qualität statt Quantität eben – und das mit Tradition.

Der Schlager: Belana

Das alles sind die Gründe, warum der Kartoffelhof bereits seit gut 30 Jahren das Gütezeichen der Landwirtschaftskammer trägt. Das grün-blaue Siegel steht für ausgezeichnete Lebensmittel – und das sind bei den Hadenfeldts eben ihre Kartoffeln. Fünf Sorten baut der Betrieb an, aber der absolute Schlager ist die – nein, nicht die „Linda“, sondern die „Belana“, eine Art Allzweckkartoffel, mit der man in der Küche wirklich weit kommt. Die „Belana“ ist auch die Lieblingssorte der Hadenfeldts. „Selbstverständlich“, sagt Matthias Hadenfeldt, „probieren wir jede einzelne Sorte mit der ganzen Familie, bevor wie sie bei uns anbauen.“ Produkte aus der Region werden immer beliebter – vielleicht auch deshalb, weil sie nicht nur durch Geschmack und Qualität überzeugen, sondern weil die Menschen mehr denn je Nähe und Vertrauen schätzen.

Im Zeitalter der Globalisierung wird der Kunde von anonymen Warenangeboten regelrecht erschlagen. Deshalb sucht er sich in diesem weiten Meer Anker – regionale Marken, die er auf ihren Ursprung zurückverfolgen kann. Davon profieren natürlich auch die Erzeuger vor Ort – und mit ihnen das unmittelbare Umfeld. In einer Scheune des Kartoffelhofs in Wittenbergen ist ein kleiner Hofladen eingerichtet. Ein Tisch, viele Säcke Kartoffeln, mehr nicht. Und dazu eine Kasse, in der jeder Kunde sein Geld einwerfen kann. Die Hadenfeldts haben Vertrauen in ihre Hofladen-Käufer. Auch das bewahrt dem Ganzen doch irgendwie noch eine regionale Idylle.

Text: Björn Stähler

Fotos: Thomas Eisenkrätzer